Ich übe mich jetzt etwa seit 3 Wochen in Social Distancing. Je nachdem, wo Sie arbeiten sind es auch für Sie schon 3 Wochen seitdem Sie im Home Office sind. Allerdings im erschwerten Home Office, den viele von Ihnen arbeiten von zu hause während die Familie anwesend ist. Sie versuchen, Arbeit, Kinder, Partner und den ganz normalen täglichen Wahnsinn unter einen Hut zu bringen. Home Office in Kombination mit Home Schooling und Home Cooking und Home Cleaning war nie so geplant. Das hat auch nichts mit New Work zu tun. In Woche 3 kann ich in meinem Umfeld und in meiner Social Media Blase ganz grob 2 Lager erkennen:

  • Die einen haben weniger zu tun (Zwangsurlaub, Kurzarbeit, ausgefallene Termine). Sie klagen wahlweise über Langeweile klagen oder sind erschöpft, weil Kinderbetreuung in Kombination von Schule zu hause Nerven kostet. Viele machen sich auch Sorgen, wie sie die Krise wirtschaftlich überstehen. Und der letzte Punkt gilt gleichermaßen für Angestellte, Freiberufler und Firmenchefs mit einigen oder vielen Angestellten.
  • Die anderen haben mehr zu tun als je zuvor. Oft arbeiten sie unter erschwerten Bedingungen und setzen dabei vielleicht auch noch Ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Möglicherweise müssen sie auch das Thema Kinderbetreuung noch stemmen.

Und dann gibt es in beiden Lagern noch die, die mit der Situation durchaus gut zurechtkommen und die, die damit hadern. Ich beobachte, dass die, die gut zurechtkommen, sich eine Struktur geschaffen haben. Es gibt feste Tagesrituale, Arbeitsverteilung und Absprachen. Viele haben nach der ersten eher chaotischen und anstrengenden Woche auch gelernt, dass es wichtig ist, Auszeiten und Bewegungspausen (!) in den Tagesablauf einzubauen.

Corona – das große New Work Experiment?

Ich lese zur Zeit viel dazu, wie die Menschen mit dem Thema Home Office zurechtkommen. Es ist faszinierend, in wie vielen Firmen und Branchen plötzlich das Arbeiten von zu hause möglich ist. Tipps zu Tools und Techniken, aber auch zu Arbeitsweisen verbreiten sich fast schon inflationär. Die virtuelle Kaffeepause, die zu Zeiten als nicht alle unter social distancing gelitten haben, manchmal belächelt wurde, wird nun zelebriert.

Jetzt zeigt sich aber auch in mancher Firma eine große Schwäche, weil die technischen Voraussetzungen nie geschaffen wurden, damit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von zu hause aus arbeiten konnten. Warum das versäumt wurde hat unterschiedliche Ursachen. Manchmal fehlt das Vertrauen in die Mitarbeiter, manchmal fehlt der Grad der Digitalisierung, manchmal fehlte ganz einfach der Wille dazu. Vor allem in unserer Verwaltung und unseren Behörden begegnen mir immer wieder Beispiele, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro kommen müssen (keine Laptops, keine Zugänge, Wissen liegt in Aktenschränken…).

Trotzdem glaube ich nicht, dass das, was wir gerade erleben „New Work“ ist. Es ist bestenfalls eine Vorstufe.

New Work heißt: anders arbeiten und anders führen

New Work besteht nicht nur aus dem ortsunabhängigen Arbeiten. Das ist nur ein möglicher Bestandteil davon. New Work auf Home Office zu reduzieren, ist unfair der Idee gegenüber. Nach Frithjof Bergmann hat New Work drei zentrale Werte: Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft. Aufgrund der derzeitigen Situation werden wir zwar durchaus in allen drei Punkten gefordert. Aber soweit ich es erkennen kann, sind diese Werte im Moment nicht im Vordergrund. Und das ist im Moment gar nicht schlimm. Jetzt gerade geht es darum, mit der erzwungenen und schnell herbeigeführten Situation zurechtzukommen. Ich wünsche mir aber, dass sich vor allem die Führungskräfte auf allen Ebenen bald mit dem Thema im größeren Umfang auseinandersetzen.

Es gibt auch positives an der Situation: einige Teams berichten, dass die derzeitige Situation mehr Nähe und Vertrautheit im Team geschaffen hat. Teammitglieder sehen zum ersten Mal das jeweilige zu Hause der Kollegen als Hintergrund in der Videokonferenz. Kinder, die in die Teamkonferenz platzen, werden mit einem Lächeln begrüßt und das eine oder andere Haustier wird gesichtet. Teams, die jetzt eine von Vertrauen geprägte Führung haben, können entspannter mit der Situation umgehen. Und Führungskräfte, die Vertrauen in ihr Team haben, werden mit verlässlicher Leistung belohnt. Vielleicht erfolgt diese nicht 8 Stunden am Stück. Vielleicht stellt der eine oder andere auch überrascht fest, wie viel sich in 2 Stunden konzentrierter Arbeit erledigen lässt.

Führung auf Distanz

Führungskräfte erleben heute schon, dass Führung auf Distanz anders geht, als Führung im Büro. Führungskräfte merken auch, dass die beidhändige Führung jetzt gerade besonders gefragt ist. Es geht darum, die Firma einerseits am Laufen zu halten. Andererseits müssen Sie sich auch darum kümmern, wie Innovationen und neue Abläufe die Firma voranbringen können. Schöne Beispiele gab es hier schon von Spirituosenherstellern, die Desinfektionsmittel herstellen oder Autozulieferer, die dringend benötige medizinische Geräte oder Geräteteile herstellen. Hier sehe ich auch den Aspekt „Teilhabe an der Gesellschaft“ widergespiegelt.

Bei der Führung auf Distanz ist es noch wichtiger, dass Sie als Führungskraft aktiv nachfragen, was Ihr Team und jede und jeder einzelne im Team braucht. Gleichzeitig ist loslassen gefragt (das Beispiel der Führungskraft, die fordert, dass die Webcam an bleibt, damit kontrolliert werden kann, ob gearbeitet wird, war hoffentlich ein konstruiertes Beispiel). Jetzt muss die Führungskraft ihrem Team in einem hohen Maß vertrauen, gleichzeitig ein gutes System entwickeln, damit Führung gut funktioniert: weiß das Team noch, was die Prioritäten sind? sind alle im gleichen Boot? braucht jemand Unterstützung?… Hier macht sicher jede Führungskraft Fehler – aber damit ist Lernen möglich. Wenn in Ihrem Team schon eine gute Feedback Kultur existiert, ist es einfacher für Sie. Fragen Sie doch einfach mal nach, wie es den Teammitgliedern geht. Wenn die Feedback Kultur noch nicht so gut ist, ist jetzt eine gute Gelegenheit diese zu etablieren.

Wieviel New Work bleibt nach Corona?

Ich wünsche mir, dass die Möglichkeiten, ortsunabhängig zu arbeiten und das damit verbundene Vertrauen in die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten bleibt. Die positiven Erlebnisse und die Erfolge, die viele Teams derzeit haben, tragen hoffentlich dazu bei, das Chefs und Chefinnen, die bisher Home Office hartnäckig verweigert haben, Ihre Meinung ändern.

Hoffentlich werden die Erfahrungen, die wir jetzt mit online Kongressen, Barcamps und Meetups machen auch nach Corona noch genutzt (aber ich wünsche mir auch wieder Treffen „live und in Farbe“ – eine gute Mischung bitte).

Lasst uns daran arbeiten, dass viel von dem, was wir gerade etablieren, als „best practices“ in den Alltag nach Corona übergeht. Dass Teams vertrauensvoll miteinander umgehen, Führungskräfte sich das Führen auf Distanz zutrauen (und ich kenne viele, die das schon richtig gut machen!). Wenn wir diese Punkte in den Alltag retten können, sind die Punkte „Selbständigkeit und Freiheit“ aus der New Work Philosophie schon gut abgedeckt. Die Unternehmenskultur hat eine neue Facette bekommen und die Mitarbeiterzufriedenheit wird ziemlich sicher höher.

Wenn Sie sich als Führungskraft Unterstützung wünschen oder einen Sparringspartner suchen, stehe ich gerne zur Verfügung. Vereinbaren Sie ein kostenloses Kennenlerngespräch oder buchen Sie mein 45-minütiges Kurzcoaching, das ich die nächsten Wochen jeden Mittwochnachmittag anbiete.