Krise! Heute ist der 25.2.2022 und gestern fing in Europa ein neuer Krieg an. Aus diesem Anlass parke ich mein eigentlich geplantes Blog-Thema und schreibe stattdessen über Krisen. Ich gehöre zu der Generation in Deutschland, die keinen Krieg selber erlebt hat. Ich kenne nur die Erzählungen meiner Großeltern und Eltern. Und ich bin dankbar dafür, dass ich in diesen Zeiten des Friedens aufgewachsen bin. Aber ich und viele andere meiner und der jüngeren Generationen haben nie gelernt, mit Krisen umzugehen.

Die größte Krise an die ich mich bewusst erinnere ist die sogenannte Ölkrise in den 70er Jahren. Aber auch da war ich nicht unmittelbar betroffen – ich war noch zu jung, um Auto zu fahren, die Wohnung blieb geheizt und der Kühlschrank an. Ich erinnere mich aber an die autofreien Sonntage und Spaziergänge auf den leeren Straßen. Das gab mir kein Gefühl der Krise. Corona oder Covid dagegen habe ich durchaus als Krise empfunden – wenn auch für mich persönlich nie lebensbedrohend, denn ich hatte das Gefühl, mich schützen zu können durch mein Verhalten.

Was bedeutet „Krise“?

Corona haben wir noch nicht ganz durchgestanden und nun: Krieg in Europa. Das löst bei vielen Menschen Betroffenheit, Ohnmacht und vielleicht sogar Verzweiflung aus. Viele von uns sind müde und erschöpft von den vergangenen beiden Jahren mit vielen Veränderungen, Einschränkungen, persönlichen Schicksalsschlägen, dem anstrengenden Alltag in einer Pandemie und vielleicht auch Existenzängsten.

Eine Krise bedeutet immer Gefahr. Es passiert etwas, was uns und unseren Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Nicht nur unser kognitives System ist in Alarmbereitschaft, auch das limbische System arbeitet auf Hochtouren. Die meisten kennen die 3 Reaktionen mit denen wir instinktiv auf Gefahr reagieren: Kämpfen, Flüchten oder Totstellen.

In allen Fällen ist nicht nur unser Gehirn auf Hochtouren sondern auch der Körper. Hormone werden ausgeschüttet, der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an. Das ist nicht gesund, wenn die Situation länger anhält.

Krise bedeutet aber auch Unsicherheit. Ich bin mit einer Situation konfrontiert, die ich bisher so nicht kannte.Wie reagieren? Was kann ich tun? Auch hier ist wieder alles auf Hochtouren.

Als drittes kommen die Emotionen hinzu. Ich habe vielleicht Angst, bin verzweifelt, hilflos oder wütend. Diese Gefühle darf ich zulassen – aber ich darf sie auch kontrollieren. Wenn ich mich zu langer diesen Gefühlen hingebe, komme ich in eine gedankliche Negativspirale. Und die hilft niemand – weder der Person, die die Gefühle hat, noch dem Umfeld. Trauern Sie über die Unbelehrbarkeit mancher Menschen. Seien Sie wütend, dass ein machthungriger Mensch, diesen Krieg angefacht hat. Seien Sie verzweifelt oder haben Sie Angst, wenn Sie Freunde oder Familie in der Gefahrenzone haben.

Wie gehe ich mit einer Krise um?

Der Umgang mit einer Krise unterscheidet sich nicht, egal ob es eine „große“ Krise wie ein Krieg ist oder eine „kleine“ Krise wie fallende Umsatzzahlen in einer Firma. Die Bewertung „groß“ oder „klein“ ist immer abhängig von der persönlichen Betroffenheit. Wenn ich denke, es ist etwas eine Krise, dann reagiere ich entsprechend darauf, egal wie „groß“ oder „klein“ diese Situation von anderen empfunden werden mag.

Was kann helfen? Einiges – Sie können aktiv für sich sorgen. Und als Führungskraft gehen Sie in Krisensituationen als Vorbild vor, wenn Sie diese Punkte auch im Team ansprechen und beachten:

  • Sprechen Sie mit anderen darüber, was sie belastet. Sprechen Sie vor allem auch über Ihre Gefühle. Es kann sehr wohltuend sein, auszusprechen, dass man Angst hat. Gefühle im Business? Warum nicht. Es kann sehr befreiend sein – auch für Ihr Team. Wenn Sie ihn noch nicht kennen, schauen Sie sich den TED Talk von Brené Brown an.
  • Lassen Sie sich Zeit. Es kann sein, dass Sie immer wieder von ihren Emotionen überwältigt werden – je nachdem, wie sehr die Krise Sie belastet. Das ist normal.
  • Sorgen Sie für sich. Achtsamkeitspraktiken (Mindfulness) oder Entspannungsübungen helfen. Damit sorgen Sie dafür, dass das Gedankenkarussel und vielleicht auch eine gedankliche Abwärtsspirale angehalten wird.
    Wenn Sie gerade nicht in der Lage sind, zu arbeiten, sprechen Sie es an und aus – und nehmen Sie sich eine Auszeit. Oft reicht ein Tag.
  • Versuchen Sie Lösungen zu finden. Gibt es beispielsweise Hilfsorganisationen, die Unterstützung brauchen? Wenn Sie aktiv etwas tun, fühlen Sie sich weniger hilflos. Der Krieg ist immer noch furchtbar, aber sie können Ihren Beitrag, egal wie klein leisten. Im Business: was können Sie tun, um gegenzusteuern? Auch ganz kleine Schritte gelten.
  • Denken Sie daran: jede Krise endet. Nicht immer so schnell und mit dem Ende, das wir uns wünschen, aber es liegt in der Natur der Krise, dass sie ihren Zustand nicht dauerhaft erhalten kann. Schlimmstenfalls wird es zur schrecklichen Normalität – was ich bei den Kämpfen in der Ukraine nicht hoffe.
  • Und nicht zu unterschätzen in der heutigen Zeit: kontrollieren Sie Ihren Medienkonsum. Sehen Sie sich Nachrichten bewusst und selektiv an und stellen Sie sicher, dass Sie vertrauenswürdigen Quellen folgen.

Wenn Sie merken, dass Sie in Krisensituationen immer tiefer in den Gedankenstrudel kommen und die Selbsthilfepraktiken nichts mehr nützen – suchen Sie professionelle Hilfe. Und das ist dann ein Fall für ausgebildete Psycholog:innen.

Ich wünsche uns allen, dass der Krieg in der Ukraine ein kurzer wird, dass er sich nicht ausbreitet in weitere Staaten und dass wir wieder Frieden in Europa haben werden.