Seit einigen Monaten beschäftige ich mich etwas intensiver mit dem Konzept „gewaltfreie Kommunikation“. Begegnet ist mir das Thema schon vor einiger Zeit und taucht auch immer wieder auf. Das Buch von Marshall B. Rosenberg, dem Begründer der gewaltfreien Kommunikation steht schon sehr lange in meinem Bücherregal. Aber ernsthaft beschäftigt habe ich mich mit dem Thema nicht wirklich. Irgendwie schien die Zeit jetzt reif zu sein, ich habe ein online Einführungsseminar besucht und mir wurde sehr schnell bewusst, wie wertvoll die Konzepte der gewaltfreien Kommunikation für Führungskräfte sein können.

Wobei dieser Blogartikel kein Plädoyer dafür ist, dass sich alle Führungskräfte in der gewaltfreien Kommunikation ausbilden lassen und nur noch nach den Mustern der gewaltfreien Kommunikation kommunizieren. Zum einen ist es durchaus anstrengend, gewaltfrei zu kommunizieren. Zum anderen ist mir an diesem Konzept die dahinter liegende Haltung wichtiger – ohne Wertschätzung und Empathie geht keine gewaltfreie Kommunikation.

Was heisst es, gewaltfrei zu kommunizieren

Gewaltfrei zu kommunizieren bedeuted, dass ich in einer Situation meine Gefühle kenne und artikulieren kann. Dass ich weiss, welche Bedürftnisse ich habe und mein Gegenüber darum bitten kann, etwas für meine Bedürftnisse zu tun.

Ganz konkret: In einer möglicherweise Stress auslösenden Situation (zum Beispiel: Mitarbeiter hat in der Videokonferenz gegen die Absprache die Kamera nicht angemacht), durchlaufe ich innerlich die folgenden 4 Schritte:

  • Beobachtung – in diesem Beispiel: die Kamera ist aus
  • Gefühle – was macht das mit mir? Bin ich verletzt (hat der Kollege kein Vertrauen), ärgerlich  oder sauer (hält sich nicht an Anweisungen), irritiert (was soll ich nicht sehen), und so weiter. Schon an diesem Punkt lohnt es sich, dass Sie sich wirklich ernsthaft fragen: was macht das wirklich mit mir?
  • Bedürfnisse – warum löst dieses Verhalten dieses Gefühl in mir aus? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Mein Bedüftnis nach Nähe, mein Bedürfnis danach als ChefIn anerkannt zu sein, mein Bedürfnis nach Gleichbehandlung? Dieser Schritt ist ohne Übung schwer – wir sind es nicht gewohnt, über unsere Bedürfnisse nachzudenken oder sie gar zu artikulieren.
  • Bitten – wenn ich die Gefühle und Bedürfnisse erkannt habe, kann ich eine klare Bitte äussern: „Kannst du bitte die Kamera für unser Meeting anmachen“. Und jetzt kommt der wichtige Teil: Es ist eine Bitte! Keine Anweisung. Mein Gegenüber darf die Bitte abschlagen. Allerdings entsteht aus dem Nein oft ein wichtiger Dialog: „ich möchte die Kamera heute ausgeschaltet lassen, ich habe eine schreckliche Erkältung und muss mir ständig die Nase putzen“.

Warum kann gewaltfreie Kommunikation für Führungskräfte hilfreich sein?

Die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation können dazu beitragen, die Qualität der Kommunikation zu verbessern (meine Haltung ist eine andere – ich mache mir bewusst, was mir wichtig ist) und Konflikte zu entschäften, denn Worte wie „immer“, „nie“, „alle“, die in der Regel sofortigen Widerstand beim Gegenüber auslösen, werden nicht verwendet. Meine Haltung ist aber auch anders, weil ich von mir spreche (meine Gefühle, mein Bedürfnis) und damit etwas von mir preisgebe. Mein Gegenüber versteht besser, was in mir vorgeht.

Die andere Seite der Medaille: Wenn ich als Führungskraft mich darum bemühe, weniger Bewertungen und Urteile in meiner Kommunikation einzusetzen, auf Schuldzuweisungen verzichte, nicht rechthaberisch auftrete, auf Ironie und Sarkasmus verzichte, dann gehe ich ganz anders auf meine Gegenüber zu. Mein Gegenüber fühlt sich oft alleine dadurch deutlich mehr wertgeschätzt.

Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, vielleicht sogar an einem Einführungskurs interessiert sind, dann empfehle ich die Webseite des D-A-CH e.V. über die auch eine Liste der zertifizierten TrainerInnen zur gewaltfreien Kommunikation verlinkt ist.

Gerne tausche ich mich mit Ihnen über Ihre Erfahrungen aus.