Reverse Mentoring – (wem) bringt das was?
Beim klassischen Mentoring nehmen erfahrene Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter weniger erfahrene Kollegen und Kolleginnen unter ihre Fittiche und unterstützen sie.
Beim Reverse Mentoring, also dem umgekehrten Mentoring, wird die Lernerfahrung umgedreht. Die alten Hasen lernen von den jungen.
Wobei – das Ganze hat nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun oder mit Social Media Kompetenz, auch wenn es manchmal ausschließlich auf diese Punkte reduziert wird. Viel wichtiger als das Alter sind der Mix von Hierarchiestufe und Erfahrung gepaart mit dem Willen, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren.
Reverse Mentoring – die Themen
Beim Reverse Mentoring denken die meisten sofort daran, dass junge Menschen ältere Mentees bei Themen rund um die Digitalisierung unterstützen. Das ist sicherlich oft auch der Fall und kann ein wichtiger Grund für das Mentoring sein.
Die meisten Führungskräfte in höheren Positionen sind eben nicht mit einem Smartphone aufgewachsen, wissen noch, was ein Faxgerät ist und kennen Disketten und CDs als Speichermedium statt der Datenwolke. Da kann die jüngere Generation mit ihrem selbstverständlichen und leichten Umgang mit Smartphone, Apps und diversen Cloud-Diensten gute Hilfe als Mentoren leisten.
Wenn Sie Reverse Mentoring in Ihrer Organisation aber auf dieses Thema reduzieren, verschenken Sie wertvolles Potenzial. Themen, die sich geradezu aufdrängen, sind:
- Führungsverhalten: wie will die junge Generation geführt werden? Was kommt gut an, was nicht.
- Employer Branding: wie stellt sich die Firma nach außen dar, wie wird Sie gesehen mit den Augen eines jüngeren oder noch neuen Mitarbeiters in der Firma.
- Diversity: hat die Firma die richtigen Ziele und sind diese in der Belegschaft angekommen, werden sie gelebt und geglaubt?
Ich bin sicher, wenn Sie sich in Ihrer Organisation umschauen, fallen Ihnen noch mehr Themen ein.
Reverse Mentoring – wem nützt es?
Abgesehen von dem offensichtlichen Nutzen, dem Wissensaustausch über Hierarchien und Generationen hinweg, hat Reverse Mentoring aber noch einige weitere Vorteile:
- Selbstgesteuertes Lernen und Zusammenarbeit: es muss kein großartig durchgeplantes HR Programm existieren. Reverse Mentoring kann einfach und leicht „gemacht“ werden. HR Unterstützung kann hilfreich sein, muss aber nicht sein.
- Dialogplattform zwischen Generationen und Hierarchien: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorher wenig oder keine Berührungspunkte haben, sind nun ein kleines Team und kommunizieren regelmäßig miteinander. Sie teilen Ansichten, Sichtweisen, Lebenserfahrung miteinander. In der Regel entsteht ein besseres Verständnis für die andere Person.
- Wertschätzung von Unterschieden: Wenn Mentor und Mentee auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, entsteht Wertschätzung für das Wissen und Können, aber auch für die Einstellung und Meinung des Anderen. Vorsicht, das kann Auswirkungen auf Ihre Unternehmenskultur haben 🙂
- Ausbau des Netzwerkes in der Firma: Vor allem die Mentees profitieren von diesem Aspekt. Durch die Kontakte mit Führungskräften aus einer höheren Hierarchiestufe erweitern sie ihr Netzwerk um wertvolle Kontakte. Aber auch die Mentoren erhalten durch das Reverse Mentoring neue Anknüpfungspunkte, erfahren vielleicht so erst, wo Spezialisten sitzen oder wer auf einem bestimmten Gebiet einen guten Ruf hat.
Reverse Mentoring – die Fallen
Junge Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen missbrauchen das Programm als vermeintliches Karrieresprungbrett: Ich habe es schon erlebt, dass in einer Firma ein Reverse Mentoring Programm aufgesetzt wird.
HR hat sich viele Gedanken gemacht und nun wird das Programm bekannt gemacht und Mentoren gesucht. Wenn sich nun vorrangig die Menschen als Mentoren melden, die glauben, damit einen Karrierevorteil zu erhalten, dann ist das Programm zum Scheitern verurteilt.
Ich bin ein großer Freund davon, dass die Mentoren sehr bewusst und gut ausgesucht werden – idealerweise vom Mentee selber. Das heißt aber auch, dass der oder die Mentee bereits sehr gut wissen muss, wer die gesuchte Kompetenz hat. Das ist nicht immer der Fall – dann plädiere ich für Netzwerkarbeit – wer kennt eine oder einen, der eine oder einen kennt…. Dieses Vorgehen funktioniert in der Regel sehr gut.
Mentor und Mentee passen nicht zusammen und die Zusammenarbeit schläft nach kurzer Zeit ein. „Reverse Mentoring funktioniert nicht“ heißt es dann. Für ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten muss auch die Chemie zwischen den Partnern stimmen. Lieber noch einmal suchen, als mit einem Partner beginnen, der oder die nicht passt.
Reverse Mentoring funktioniert ebenfalls in der Regel nicht optimal, wenn zwischen Mentor und Mentee ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Idealerweise ist die Hierarchielinie entweder nicht die direkte Linie (wenn Ihr Unternehmen groß genug ist) oder der Abstand ist groß genug, dass die Abhängigkeit nicht ganz direkt ist.
Wenn eine Abhängigkeit besteht, thematisieren Sie dies gleich zu Anfang, etablieren Sie Regeln zur Vertraulichkeit und sprechen Sie über die gegenseitigen Erwartungen.
Reverse Mentoring – die Umsetzung
Sie können Reverse Mentoring einfach machen. Probieren Sie es aus!
Sie wollen Reverse Mentoring in Ihrer Firma einführen und einen Rahmen dafür schaffen? Das geht natürlich sehr gut, wenn Sie die Fallstricke im Auge haben und entsprechende Maßnahmen einbauen.
Gerne unterstütze ich Sie dabei, ein Reverse Mentoring Programm aufzusetzen und auf Wunsch auch zu begleiten, wenn Ihre HR-Abteilung keine Kapazitäten hat.