KI im Coaching – Chance oder Risiko ?

Ich setze mich schon einige Zeit intensiv mit dem Thema KI auseinander. Dabei ist es mir wichtig, auch darüber nachzudenken und zu lesen, welchen Einfluss KI im Coaching schon hat oder haben wird.

Wird KI im Coaching eine Revolution auslösen? Wie kann ich als Coach meine Fähigkeiten und Erfahrungen mit KI-Technologien kombinieren?

Was ist KI im Coaching?

Unter KI im Coaching versteht man den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Unterstützung oder Automatisierung von Coaching-Prozessen. Dies können einfache Chatbots sein, die grundlegende Fragen beantworten. Solche Tools sehe ich eher im Bereich Training und Lernen verortet. Es kann aber hin bis zu komplexen Algorithmen gehen, die individuelle Lernpfade erstellen (auch eher ein Trainingsthema). Es gibt aber auch bereits erste Lösungen für KI im Coaching (Aimy von CoachHub, Coachvici.com, Stella als Beispiele), die am Markt sind.

Vorteile von KI im Coaching

KI im Coaching kann Vorteile bieten. Einige der wichtigsten sind:

  • Personalisierte Lernpfade: KI kann individuelle Lernpfade erstellen, die auf die Bedürfnisse und Ziele des Einzelnen zugeschnitten sind.
    Eine Studie von CoachHub hat gezeigt, dass personalisierte Lernpfade zu einer höheren Lernmotivation und -effizienz führen können. Ihr Coaching Bot Aimy ist genau darauf ausgerichtet und richtet sich folgerichtig auch an junge Führungskräfte und Auszubildende.
    Die KI könnte mich als Coach aber auch darin unterstützen, individuelle Coaching Pläne baiserend auf den Bedürfnissen meiner Coachees zu erstellen. Denkbar wären sogar automatisch erstellte, auf den Coachee zugeschnittene Arbeitsblätter – eine echte Erleichterung in der Vorbereitung.
  • Kosteneffiziente Skalierbarkeit: Durch die Automatisierung von Coaching-Prozessen lassen sich Kosten senken – ein besonders interessanter Aspekt für Unternehmen. Für Coaches kann das ebenfalls spannend sein, wenn sie richtig aufgestellt sind.
  • 24/7 Verfügbarkeit: Ein KI-Coach ist jederzeit verfügbar – ein klarer Vorteil für vielbeschäftigte Führungskräfte.

Grenzen von KI im Coaching

Trotz der Vorteile von KI im Coaching gibt es auch Grenzen, die beachtet werden müssen. Einige der wichtigsten sind:

  • Mangel an menschlicher Empathie und emotionaler Intelligenz: KI kann nicht die gleiche emotionale Intelligenz und Empathie wie ein menschlicher Coach bieten. (Obwohl sich ChatGPT sehr bemüht.)
  • Begrenzte Fähigkeit, komplexe menschliche Beziehungen zu verstehen: KI kann nicht die gleiche Tiefe und Komplexität von menschlichen Beziehungen verstehen.
  • Datenschutz und -sicherheit: KI im Coaching erfordert den Schutz von Daten und die Sicherheit von Systemen. Eine derwichtigen Grundlagen eines guten Coachings ist die Vertraulichkeit. Wenn diese bei KI-gestützten Systemen nicht gegeben ist, wird es sehr schwierig. Hier gilt es auch, die Skepsis der Coachees ernstzunehmen und transparent zu sein.

Anwendungsbereiche von KI im Coaching

Derzeit wird untersucht wie KI im Coaching in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann. Zum Beispiel:

  • Grundlagen-Coaching für neue Mitarbeiter: KI kann grundlegende Fragen beantworten und neue Mitarbeiter in die Organisation einarbeiten. Das ist wieder eher dem Bereich Training zuzuordnen.
  • Führungskräfte-Entwicklung: KI kann Führungskräfte bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten unterstützen.
  • Kommunikations- und Team-Coaching: KI kann Kommunikations- und Team-Coaching-Prozesse unterstützen.

Einige der Forschungen werden am ScaDS.AI in Dresden/Leipzig durchgeführt.

Wie KI im Coaching in der Praxis aussehen kann

Es gibt bereits viele Beispiele für KI-basierte Coaching-Tools und -Plattformen, die in der Praxis eingesetzt werden. So gibt es bereits:

  • KI-gestützte Programme: Sie können Coaching-Prozesse sinnvoll begleiten und eignen sich beispielsweise zur Standortbestimmung, Dokumentation oder zur Bereitstellung von Lernmaterialien.
  • Chatbots: Chatbots können grundlegende Fragen beantworten und neue Mitarbeiter in die Organisation einarbeiten.
  • Coaching-Plattformen: Coaching-Plattformen können individuelle Lernpfade erstellen und Führungskräfte bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten unterstützen.

Fazit

Ich werde die Forschung und den Markt zu KI im Coaching weiterhin im Blick behalten. Ich sehe die KI nicht als meinen Feind sondern kann mir vorstellen, dass sie mich und meine Klienten und Klientinnen in Zukunft unterstützt.

Dabei sind die Trainings- und Lern-KIs für meine Anwendungsfälle und meine Kunden und Kundinnen eher weniger interessant. Das sind jedoch die einfacher zu entwickelnden KIs.

Weiterhin darf ein sehr wichtiger Punkt nicht vergessen werden: es gibt Studien und Erkenntnisse, die belegen, dass die menschliche Verbindung zwischen Coach und Coachee einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Coachingprozessen hat. Eine starke emotionale Verbindung zwischen Coach und Coachee fördert Vertrauen und Offenheit. Diese Faktoren sind entscheidend, um tiefere Einsichten zu gewinnen und an persönlichen Themen zu arbeiten.

Ich als Mensch und Coaches kann außerdem Empathie zeigen und auf subtile emotionale Hinweise reagieren, die oft über das hinausgehen, was KI-Systeme erkennen können. Empathie ist in vielen Studien als Schlüssel zur Wirksamkeit von Coaching und Therapie identifiziert worden.

Ich bin offen dafür, wenn Klienten und Unternehmen KI-unterstütztes Coaching anbieten und experimentiere gerne gemeinsam mit meinen Kunden und Kundinnen – natürlich immer unter der Prämisse der Vertraulichkeit. Derzeit coache ich noch ganz ohne KI. Ich bin gespannt, wohin die Reise mit KI im Coaching gehen wird und freue mich auf den Austausch mit Ihnen.

Das Beitragsbild habe ich übrigens mit Flux erstellt – und es hat mich ganz schön viele Versuche gekostet, bis es ungefähr so aussah, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin immer noch irritiert, mit welchen Smartphonebildern die KI trainiert wurden…

Anhang:
Ein praktisches Beispiel mit ChatGPT: KI im Coaching

Um einen ersten Eindruck zu vermitteln, wie geschickt ein Prompt sein muss, damit die KI angemessen und hilfreich reagiert und brauchbare Antworten liefert, habe ich hier einmal exemplarisch ausprobiert (Achtung, lang!):

Der erste Prompt

„Nimm die Rolle eines Führungscoachs an, der auf die Führungskräfte-Entwicklung und Konfliktmanagement in multinationalen Unternehmen spezialisiert ist. Welche Strategien empfiehlst du für eine Managerin, um in einem kulturell
vielfältigen Team effektiv zu kommunizieren und Konflikte zu lösen?“

Die Antwort

In kulturell vielfältigen Teams kommt es weniger auf das Was als auf das Wie der Kommunikation an. Als spezialisierter Coach für Führungskräfte in internationalen Kontexten empfehle ich Ihrer Managerin folgende bewährte Strategien:

1. Kulturelle Intelligenz aufbauen

Ermutigen Sie Ihre Führungskraft, sich aktiv mit den kulturellen Prägungen ihres Teams auseinanderzusetzen. Dazu gehöre

  • Hofstede’s Kulturdimensionen verstehen (z. B. Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus)
  • Neugierde und Respekt im Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven
  • Kulturelle Eigenheiten nicht als Hindernis, sondern als Ressource sehe

2. Kommunikationsstil bewusst anpassen

Die Managerin sollte lernen, zwischen direkter und indirekter Kommunikation zu unterscheiden – ein häufiger Auslöser für Missverständnisse:

  • In direkter Kultur: Klarheit und Prägnanz schätzen
  • In indirekter Kultur: Kontext, Zwischentöne und Beziehungsebene beachten

3. Psychologische Sicherheit fördern

Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zeigen Unsicherheit auf unterschiedliche Weise. Die Führungskraft sollte aktiv:

  • Räume schaffen, in denen alle sich äußern dürfen
  • Feedback erfragen – nicht nur geben
  • Vorleben, dass Fehler besprochen und nicht versteckt werden müssen

4. Konfliktarten und -lösungsstrategien differenzieren

Nicht jeder Konflikt ist kulturell bedingt – aber die Lösung muss es oft sein. Dafür gilt:

  • Konflikte frühzeitig erkennen, bevor sie sich verhärten
  • Neutral moderieren oder einen externen Mediator einbinden
  • Klare, transparente Prozesse für Konfliktlösungen etablieren

5. Globale Führungskompetenzen gezielt entwickeln

5. Globale Führungskompetenzen gezielt entwickeln
Ich empfehle gezielte Coaching-Elemente, wie:

  • Reflexion eigener kultureller Prägungen
  • Rollenspiele mit realen Team-Szenarien
  • Simulation interkultureller Feedbackgespräche

[Ende ChatGPT]

Stellen Sie sich vor, Sie sind diese Führungskraft und erhalten diese Antwort. Da ist wenig „Coach“ dabei. Es sind viele Ratschläge und Hinweise auf Training. Das mag an sich nicht falsch sein. Aber ich war, ehrlich gesagt, etwas überfordert mit dieser Antwort.

Daraufhin habe ich den Prompt angepasst.

Der zweite Prompt

„Stell dir vor, der Coach ist nicht verfügbar, die Managerin fragt dich stattdessen, wie sie in ihrem multinationalen Team effektiv kommunizieren kann. In dem Team gibt es außerdem einige Konflikte. Hilf der Managerin, die Lösung selbst zu entwickeln. Gib keine Ratschläge.“

Die Antwort

Wenn Sie die Kommunikation in Ihrem multinationalen Team verbessern und bestehende Spannungen bearbeiten möchten, lade ich Sie ein, einen Moment innezuhalten und folgende Fragen zu reflektieren:

Kommunikation im Team

  • Wie würden Sie den aktuellen Kommunikationsstil in Ihrem Team beschreiben?
  • In welchen Situationen gelingt die Zusammenarbeit besonders gut?
  • Wo kommt es häufig zu Missverständnissen – und woran könnten diese liegen?

Kulturelle Vielfalt

  • Welche kulturellen Unterschiede erleben Sie in Ihrem Team konkret – z. B. im Umgang mit Autorität, Feedback oder Entscheidungsfindung?
  • Inwiefern berücksichtigen Sie diese Unterschiede bewusst in Ihrer Kommunikation?
  • Was tun Sie bereits, um ein Gefühl der Zugehörigkeit für alle zu fördern?

Rolle als Führungskraft

  • Wie möchten Sie in Ihrem Team wahrgenommen werden – besonders in herausfordernden Situationen?
  • Welche Ihrer eigenen Verhaltensweisen könnten zur Klärung oder zur Verstärkung von Spannungen beitragen?
  • Was hat in der Vergangenheit gut funktioniert, wenn es darum ging, mit Konflikten umzugehen?

Nächste Schritte

  • Wenn Sie eine Veränderung anstoßen könnten – was würden Sie gern zuerst in der Kommunikation Ihres Teams verbessern?
  • Wen könnten Sie dabei einbeziehen, um neue Perspektiven zu gewinnen?
  • Welche kleinen Experimente wären möglich, um Veränderungen im Verhalten zu testen – ohne gleich alles umzustellen?

Wenn Sie mögen, können wir gemeinsam Ihre Gedanken sortieren oder die Antworten strukturieren – ganz in Ihrem Tempo.

[Ende ChatGPT]

Auch hier „flutet“ mich ChatGPT mit vielen Ideen auf einmal. Aber die Anregungen, die hier gegeben werden, sind schon deutlich mehr auf der Coachinglinie. Wer diszipliniert ist, und sich eine Frage nach der anderen vornimmt, erhält sicher einige gute Hinweise durch das Nachdenken. Aber das hat mir noch nicht gereicht. Ich habe den Prompt noch einmal angepasst.

Der dritte Prompt

„Stelle mir bitte eine Frage nach der anderen und reagiere in passender Weise als Coach auf meine Antworten. Lass mir Zeit.“

Die Antwort

„Lassen Sie uns Schritt für Schritt vorgehen.

Erste Frage:
Wie würden Sie den aktuellen Kommunikationsstil in Ihrem Team beschreiben?“

Darauf habe ich geantwortet: „teilweise sehr direkt, teilweise auch eher indirekt. Manchmal gibt es Sprachbarrieren, da alle in einer gemeinsamen Fremdsprache kommunizieren.“

ChatGPT: Danke für Ihre Offenheit. Es klingt, als gäbe es im Team sehr unterschiedliche Kommunikationsgewohnheiten – und zusätzlich die Herausforderung, dass niemand in der „Teamsprache“ wirklich zu Hause ist.

Zweite Frage:
In welchen Situationen klappt die Zusammenarbeit trotz dieser Unterschiede besonders gut? Woran merken Sie das?

Meine Antwort: in Krisensituationen sind alle Teammitglieder bereit, an einem Strang zu ziehen. Sie gehen aktiv auf Experten zu und bitten um Hilfe und bieten auch ihre eigene Expertise aktiv an.

ChatGPT: Das klingt sehr kraftvoll – in schwierigen Momenten scheint ein gemeinsames Ziel zu verbinden und persönliche oder sprachliche Hürden treten in den Hintergrund.

Dritte Frage:
Was glauben Sie: Was genau ermöglicht dieses gute Zusammenspiel in Krisensituationen? Was ist dann anders als im Alltag?“

[Ende ChatGPT]

Fazit zu diesem kurzen Test

Ich bin beeindruckt. Hier hat ChatGPT sehr gute systemische Fragen gestellt, die zum Nachdenken anregen und zu guten Lösungsideen führen können. Ich könnte mir durchaus vorstellen, das einmal für mich auszuprobieren.

Es ist aber wahrscheinlich auch deutlich geworden, dass wir ChatGPT die richtigen Fragen stellen müssen. Das dürfen wir alle üben.

Etwas irritierend finde ich, dass ChatGPT mich konsequent siezt obwohl ich ihn (?) konsequent duze.

(Letzte Anmerkung: ich habe mit der kostenlosenVersion von Open.AI gearbeitet. Die Antworten und die Art des Prompting mag sich ändern, wenn andere KI Tools verwendet werden. )

Ich bin Birgit Nüchter, Führungskräftecoach, Karrierecoach und Beraterin.

Birgit Nüchter

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