Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit und weniger Stress
Dieser Blogpost fällt etwas aus der Reihe. Er ist inspiriert von einer Reise, die ich diese Woche gemacht habe und bei der ich mich über den Mangel an Gelassenheit und der großen Hektik der Menschen gewundert habe. In der Vor-Adventszeit erlaube ich mir, einen eher nachdenklichen Artikel.
Und wenn ich das Wort Gelassenheit benutze, ist das meine Interpretation, geprägt von einer westlichen Erziehung. Jemand aus einem anderen Kulturkreis und mit einer anderen Prägung mag das, was ich hektisch empfinde, als normal ansehen. Oder das, was ich als normal empfinde, als wenig gelassen sehen.
Ich war diese Woche unterwegs, mit der Bahn nach Frankfurt, dann mit dem Flugzeug in die USA und schließlich mit einem Bus zu meinem endgültigen Ziel. Mir ist dabei aufgefallen, wie hektisch, unfreundlich und scheinbar auch unglücklich die Menschen unterwegs sind. Ich hatte meine Reise gut geplant und konnte mit Gelassenheit, meine Mitmenschen beobachten.
Erst aussteigen lassen….
Es fing schon bei der Zugfahrt an. Der Zug kam aus München und war aber noch sichtbar leer. Er war pünktlich und hatte in Stuttgart mehrere Minuten Aufenthalt. Dennoch ballten sich in Stuttgart die Menschen an den Türen, um schnell und hektisch einzusteigen. Diejenigen, die aussteigen wollten, mussten sich durchdrängeln und ernteten böse Blicke, wenn sie scheinbar nicht schnell genug waren.
Ehrlich gesagt, ging es so weder schneller noch angenehmer. Aber die Reisenden waren wie in Trance und auch ein Einwurf von mir, die Türe ein wenig freizulassen hatte keinen Effekt (außer einem bösen Blick). Hier bekam ich beim Einsteigen den ersten Trolley gegen die Wade gerammt.
Beim Aussteigen in Frankfurt ein ähnliches Bild. Hektisch drängeln sich alle schon gut 10 Minuten vor der Ankunft des Zuges im Gang, um möglichst schnell herauszukommen.
Interessanterweise habe ich später ein paar dieser Menschen beim Check-in wieder gesehen und ich kann sagen, wir hatten ausreichend Zeit. Es wäre weder Hektik noch drängeln nötig gewesen. Da ich mich offensichtlich nicht schnell genug bewegt habe, habe ich beim Aussteigen zum zweiten Mal eine Tasche gegen die Beine gerammt bekommen.
Die dritte Tasche (eigentlich ein Hartschalenkoffer) war dann fällig beim Anstehen fürs Verstauen des großen Gepäcks im Bus …
Die Kunst des Anstehens
Ich mag es nicht, wenn mir fremde Menschen zu sehr auf die Pelle rücken, daher stehe ich in einer Schlange gerne mit ein wenig Abstand. Ich achte auch darauf, wenn eine Schlange über einen Weg führt, dass Menschen noch durchkommen.
Leider ist diese Rücksichtnahme völlig aus der Mode gekommen. Eine scheinbare Lücke wird als Aufforderung gesehen, diese sofort zu schließen, es wird sich vorgedrängelt.
Beim Boarding des Flugzeugs schließlich, das kennen wir vermutlich alle, versucht das Personal, etwas Ordnung ins Chaos zu bringen. Aber wenn die Familien mit kleinen Kindern aufgerufen werden und als Erstes an Bord dürfen, müssen sie sich einen Weg durch die Menge bahnen, die nur sehr unwillig Platz machen.
Dabei scheint es keinen Unterschied zu machen, ob die Menschen aus Europa, USA oder Asien kommen. Sie sind ganz erpicht darauf, möglichst schnell in den eisernen Vogel zu steigen, der sie die nächsten 7 bis 8 Stunden gefangen hält. Ich verstehe einfach nicht, warum man sich die Reise selber so schwer macht. Es ist doch viel angenehmer, der Reihe nach einzusteigen, höflich zu sein und Rücksicht zu nehmen.
Warum mehr Höflichkeit?
Ich will nicht in den Chor der Menschen einfallen, die laut beklagen, dass die Sitten verrohen, die Jugend sich nicht mehr benehmen kann, uns so weiter. Im Gegenteil, die Menschen, die mir Ihre Koffer in die Beine gerammt haben, waren alle eher jenseits der Lebensmitte. Aber ich finde es schade, dass wir es uns als Gesellschaft selber so schwer machen.
Was ist Höflichkeit? „Da gibt es keine einfache Antwort“, sagt Karen Grainger, Sprachwissenschaftlerin an der britischen Sheffield Hallam University und Höflichkeitsforscherin. Sie ist inzwischen Herausgeberin einer wissenschaftlichen Zeitschrift, die sich mit dem Thema Höflichkeit auseinandersetzt.
Ich glaube, und ich habe die Erfahrung auch jetzt wieder auf dieser Reise gemacht, wenn wir zueinander höflich sind, nehmen wir Stress und Hektik aus einer Situation. Ein freundliches Lächeln, eine „bitte nach Ihnen“ Geste strahlt Gelassenheit und Souveränität aus. Und Sie bekommen fast immer auch ein Lächeln zurück. So sieht das auch Rainer Erlinger, den Sie vielleicht von der Kolumne Die Gewissensfrage aus der Süddeutschen Zeitung kennen, in seinem Buch „Höflichkeit. Vom Wert einer wertlosen Tugend“.
Mehr Höflichkeit und Rücksichtnahme – mehr Gelassenheit und weniger Stress
Wie zu vielen Themen gibt es auch Studien zur Höflichkeit. Man weiß heute, dass die Leistung, die Kreativität und die Konzentrationsfähigkeit abnehmen, wenn Menschen unhöflich behandelt werden.
Das ist kein Plädoyer für einen Kuschelkurs. Kritik und Feedback sind absolut notwendig im Umgang miteinander und vor allem auch im Arbeitsalltag. Diese auf gute Art zu adressieren, hilft dem einzelnen Menschen und dem Unternehmen erfolgreicher zu sein.
Daher heute mein Plädoyer für einen rücksichtsvolleren Umgang miteinander. Und für mehr persönliche Gelassenheit. Davon profitieren Sie!
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