Zuhören? Mein Chef hört mir nie zu!
Diese Klage, dass der Chef oder die Chefin nicht zuhören kann, höre ich öfters von meinen Klienten im Coaching. Und die Klage kommt, obwohl sie selber auch Führungskräfte sind.
Wenn wir uns gemeinsam die Situation ansehen, wird oft deutlich, dass Zuhören gar nicht so einfach ist. Klar, jeder, der funktionierende Ohren hat, kann hören. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Hören und Zuhören.
Warum ist Zuhören für Chefs so schwer?
Zuhören klingt passiv. Chefs und Führungskräfte sind aber nicht passiv, sondern sind Macher. Da scheinen zwei Konzepte nicht zusammenzupassen. Allerdings haben fast alle schon einmal den Begriff „aktives Zuhören“ gehört. Das klingt doch schon nicht mehr so passiv.
Aktives Zuhören ist auch richtig anstrengend. Es setzt voraus, dass ich inhaltlich erfasst habe, was mein Gegenüber mir mitgeteilt hat und es für mich auch verarbeitet und eingeordnet habe. Führungskräfte sind in der Regel sehr stark im Tagesgeschehen eingebunden, durchgetaktet, versuchen mehrere Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten und viele Themen gleichzeitig zu jonglieren.
Aber gerade im Gespräch offenbart sich der Mythos des Multitaskings. Wenn ich versuche zuzuhören und gleichzeitig zu schreiben, zu lesen oder ein anderes Problem zu lösen, dann gelingt das überhaupt nicht.
In einer Situation der Belastung und des Stresses ist es schwer, sich auf nur eine Sache zu konzentrieren. (Allerdings kann das auch sehr erleichternd und erholsam sein. Vielleicht gibt es demnächst einen Blogartikel zum Thema Multitasking.) Hier ist also Konzentration auf nur eine Sache gefragt, auf kurzes Innehalten und Fokussierung. Das scheinen wir ein bisschen verlernt zu haben.
Ein großes Missverständnis ist übrigens, dass ich bei aktiven Zuhören einfach wiederhole, was ich gehört habe. Das klingt eher nach Papagei.
Wie geht gutes Zuhören?
Das wohl bekannteste Modell von Carl R. Rogers geht von 4 Stufen aus: Wahrnehmen, Zuordnen, Beurteilen, Beantworten. Spätestens jetzt wird klar, dass das überhaupt nicht passiv ist. Vom Zuhörer wird geistige Arbeit verlangt. Ich muss verstehen und einordnen können, was mein Gesprächspartner mir mitteilt.
Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden – das ist nicht selbstverständlich. Eventuell müssen Sie nachfragen, um einen oder mehrere Punkte zu klären. Vielleicht ist das Thema auch so komplex, dass es sich lohnt, dass Sie paraphrasieren und nachfragen, ob Sie etwas richtig verstanden haben.
Auch bei emotional aufgeladenen Themen lohnt sich häufig das paraphrasieren. An dieser Stelle gehört es auch dazu, dass Sie als Führungskraft Kritik zulassen und aushalten – in der Denkphase des Zuordnens und Beurteilens liegt es an Ihnen, eine gute Antwort auf die (vielleicht berechtigte?) Kritik zu finden.
Gutes Zuhören will geübt werden. Es gehört ein gewisses Maß an Disziplin dazu, sich ganz auf seinen Gesprächspartner oder seine Gesprächspartnerin einzulassen. Gerade auch in Situationen, die schwierig sind, ist das nicht immer einfach.
Wir nehmen jeden Tag viel mehr Information über unser Ohr auf, als durch Lesen. Es gibt also genügend Übungsfelder. Seien Sie gnädig mit sich – gutes Zuhören klappt nicht immer und jeden Tag gleich gut.
Wenn Sie einen Tag haben, an dem jemand etwas Wichtiges mitzuteilen hat, Sie aber keine Kapazitäten für gutes Zuhören haben, dann seien Sie offen und verschieben Sie lieber das Gespräch. Das hilft Ihnen in der akuten Situation, aber auch Ihrem Gegenüber, der zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nur frustriert wird.
Welchen Nutzen bringt es?
Wenn in Ihrem Unternehmen eine Kultur des guten Zuhörens herrscht, werden Sie feststellen, dass
- Es viel weniger Missverständnisse gibt
- Der Umgang miteinander von Empathie geprägt ist
- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich deutlich wertgeschätzter fühlen
- Im Team eine höhere Motivation herrscht
- Bessere Lösungsansätze für Probleme gefunden werden
- Mehr Lernen durch Feedback stattfindet
Wie steht es mit Ihnen und Ihrer Kompetenz beim Zuhören? Gerne unterstütze ich Sie bei Ihrem Weg des Lernens – vielleicht ist das ja ein Thema für Ihre Unternehmenskultur generell?