Vertrauen – kann ich das als Führungskraft? 6 Tipps
Vertrauen – was ist das eigentlich? Ist es mehr als ein diffuses Gefühl? Wieso kann ich Vertrauen „schenken“ aber auch „verlieren“, es „gewinnen“ aber auch „brechen“? Gehirnfoscher bemühen sich schon länger um eine Antwort. Was mich fasziniert ist, dass es anscheinend dazu gehört, ein wenig Angst zu haben, wenn man Vertrauen hat. (Psychopathische) Menschen, die keine Angst haben, haben auch kein Vertrauen. Als Führungskraft finde ich den Gedanken erleichternd, dass ein wenig Angst bleiben darf, auch wenn ich Vertrauen schenke.
Psychologische Sicherheit geht noch einen Schritt weiter als das Vertrauen in ein Individuum. Es geht um das Klima im Team. Kann ich einen Fehler zugeben, ohne dass mir gleich drastische Konsequenzen drohen? Wird ein Fehler als Lernchance gesehen und gibt es einen Plan, wie er in Zukunft vermieden werden kann? Kann ich im Team kritische Punkte ansprechen, ohne dass ich als „Spielverderber“ oder „Miesmacher“ angesehen werde? Wird offen und kontrovers diskutiert, ohne dass es persönlich wird?
Vertrauen schaffen im Team
Aufgabe der Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass im Team dieses Klima herrscht. Und wie können Sie das erreichen?
- Weniger selber sprechen. Wenn Sie ein extrovertierter Mensch sind, gerne reden und diskutieren und sich schnell eine Meinung gebildet haben, ist das vielleicht der schwierigste Punkt. Eine gute Übung ist es, wenn Sie sich vornehmen, in Meetings nicht als erstes einen Vorschlag zu machen und zu fragen wie die Teammitglieder diesen finden, sondern zu warten und erst andere Vorschläge abzufragen.
- Besser zuhören. Vor allem am Anfang ist Ihr Team noch unsicher, wie dieser andere Stil der Führung funktionieren soll. Vielleicht sprechen sie manche Punkte nicht ganz offen an, sondern deuten nur an – das Vertrauen ist noch nicht da. Es lohnt sich, aufmerksam zu sein und nachzuhaken. Und zu warten, wenn nicht gleich eine Antwort kommt. Stille aushalten fällt uns schwer. Mir hilft es, innerlich zu zählen – selten komme ich auf eine Zahl, die größer ist als 5. So lange ist die Stille also gar nicht.
- Reagieren Sie auf Antworten auf Ihre Fragen und gehen Sie nicht gleich zur nächsten Frage über. Diesen Trick habe ich von Michael Bungay Stanier aus seinem Buch „The Coaching Habit“. Zu oft sind wir in unserem hochgetakteten Alltag auch in Hochgeschwindigkeit unterwegs. Wir stellen eine Frage, bekommen eine Antwort und schieben die nächste Frage gleich hinterher. Zum Beispiel: Wie würden Sie das lösen? Was könnten wir noch tun?
Dieser Dialog wird zu einer Art (freundlichem) Verhör.
Besser ist es:
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- Die Frage stellen
- Die Antwort anhören
- Kurz innehalten, auf die Antwort reagieren (das kann ganz einfach ein: „das gefällt mir“ oder auch ein „hmmm“ sein)
- Und dann erst weiterfragen.
Der Nebeneffekt: in dieser kurzen Sekunde des Reagierens hat auch Ihr Gehirn Zeit, einen Moment darüber nachzudenken, was Sie gehört haben. Vielleicht geht Ihre nächste Frage dann sogar in eine andere Richtung.
- Nutzen Sie Meetingformate, die das Mitmachen fördern. Da gibt es wunderbare Formate bei den Liberating Structures aber auch ganz einfache Retrospektiv Formate sind geeignet.
- Eigene Fehler oder Unsicherheiten ansprechen und darüber reden, wie Sie damit umgehen.
- Haben Sie Geduld. Wenn Ihr Team bisher anders gearbeitet hat, ist es vielleicht skeptisch. Es fühlt sich ungewohnt und fremd an, auf Augenhöhe mit der Führungskraft zu diskutieren. Erst mal wird beobachtet, ob wirklich nichts passiert und das Team vertrauen kann. Sie sind das Vorbild und Ihr Verhalten wird zum Maßstab.
Was hat das alles mit Vertrauen zu tun?
Wenn im Team psychologische Sicherheit herrscht, können Sie als Führungskraft auch loslassen. Sie können anders und mehr delegieren. Mitarbeitende werden um Hilfe oder Rat bitten, wenn sie es brauchen – es ist kein Gesichtsverlust mehr. Fehler werden gemacht, aber offen diskutiert. Diskussionen finden statt, aber nicht auf persönlicher Ebene. Kurz gesagt, es herrscht eine Atmosphäre, die geprägt ist von Vertrauen. Das macht Ihnen noch ein wenig Angst? Das ist gut so – siehe oben: ohne ein kleines bisschen Angst gibt es kein Vertrauen.
Für Führungskräfte ist das Loslassen erleichternd. Mitarbeitende übernehmen fast automatisch mehr Verantwortung, damit fällt Last von der Führungskraft ab. Auch das ist ein Prozess in dem sich beide Seiten, Führungskraft und Mitarbeitende, herantasten.
Wenn auch Sie über Ihre Fehler oder Zweifel sprechen können, müssen Sie nicht mehr so tun, als wüssten Sie alles (das geht heute sowieso nicht mehr und ist reine Selbstüberschätzung). Mitarbeitenden fällt es leichter, einer Führugnskraft zu vertrauen, die offen anspricht, wenn sie unsicher ist, aber einen Plan hat, wie sie damit umgeht, als einer Führungskraft die scheinbar unbeirrt und von Aktionismus getrieben losrennt.
Und wenn es Probleme gibt?
Ein wichtiger Test ist, wenn etwas schief geht: Sie haben einem Teammitglied eine Aufgabe übertragen und diese wurde nicht so erledigt, wie erwartet. Vielleicht sind Sie nicht zufrieden, vielleicht gab es eine Kundenbeschwerde, vielleicht war der Aufwand an Zeit und oder Geld zu hoch. Wie gehen Sie damit um? Sie können sich und den Mitarbeitenden folgende Fragen stellen:
- War die Aufgabe klar genug?
- War das Teammitglied ausreichend qualifiziert?
- Gab es im Laufe des Prozesses Rückfragen und wenn ja, an wen wurden diese gestellt. Waren das die richtigen Personen?
- Waren Checkpoints mit den Mitarbeitenden abgesprochen und wurden diese eingehalten?
- Wurden in den Checkpoints die richtigen Fragen gestellt?
Je offener dieser Austausch abläuft, desto mehr Vertrauen herrscht schon in Ihrem Team. Wenn das Gespräch von Vorwürfen und Rechtfertigungen geprägt ist, dürfen Sie und Ihr Team noch ein wenig üben. Auch das dürfen Sie thematisieren. Darüber zu sprechen ist der Anfang davon, aus Fehlern zu lernen.
Vertrauen als Basis für Kreativität, Leistung und Freude an der Arbeit
Google hat bereits im Jahr 2012 im Rahmen seines Projekts Aristotle die Antwort auf eine wichtige Frage gesucht: Was macht Teams erfolgreich? Dazu wurden 180 Google Teams untersucht und nach Mustern geforscht. Das Ergebnis war damals überraschend und überraschend einfach: Der Erfolgsfaktor war, wie die Teammitglieder miteinander umgingen. Dabei war es egal, ob das Team in einem hierarchischeren oder einem weniger hierarchischen Stil geführt wurden, wie es zusammengesetzt war, oder ob es an besonders strategischen Themen gearbeitet hat. Die psychologische Sicherheit im Team war der Erfolgsfaktor #1.
Weitere Punkte waren Zuverlässigkeit (eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen), Struktur und Klarheit, Sinnhaftigkeit des Tuns und Wirksamkeit.
Die Studie ist zwar schon über 10 Jahre alt, die Ergebnisse sind aber immer noch valide.
Haben Sie Lust bekommen, einmal den Test zu machen, wie es um Sie persönlich in Sachen psychologischer Sicherheit steht? Hier können Sie einen kleinen Test machen (Anmeldung erforderlich). Und wenn Sie schon Vertrauen in Ihrem Team aufgebaut haben, dann ist es spannend, das Teamergebnis gemeinsam zu diskutieren.
Sie arbeiten noch daran, eine Kultur des Vertrauens und der psychologischen Sicherheit aufzubauen? Gerne unterstütze ich Sie dabei.
Dieser Blogartikel ist enstanden als Antwort auf den Aufruf zur Blogparade von Gesa Oldekamp, meiner Sparringspartnerin und Freundin. Danke für den Anstoß.