Warum fällt Veränderung so schwer?

von | Jul 9, 2018 | Coaching

Bei einer kurzen Rückschau habe ich festgestellt, dass sich viele Themen meines Blogs im ersten Halbjahr mit Veränderung befassen, auch wenn der Begriff Change Management gar nicht so oft vorkommt. Ich war nicht wirklich überrascht. Veränderung, Wandel, Fortschritt – das sind alles Themen, die uns jeden Tag begegnen und beschäftigen.

Gerade beim digitalen Wandel ist diese Veränderung allgegenwärtig und schreitet sehr schnell voran. Warum fällt es Menschen oft so schwer, Veränderung anzunehmen?

Warum können wir alle trefflich über Klimawandel, Energiekrise und Umweltverschmutzung diskutieren, trotzdem sind SUVs gefühlt die meistgefahrenen Autos, auch und gerade in der Stadt, wo man wirklich selten den Allradantrieb braucht? Alle wollen eine sauber Umwelt aber (fast) keiner macht etwas?

Und wie mache ich das bei Change Management in Organisationen?

Warum ist Veränderung so schwer?

Eine Ursache liegt in unserem Hirn, genauer gesagt dem Belohnungssystem. Unser Gehirn ist immer noch steinzeitlich aufgesetzt und hat ganz klare Prioritäten: Tue nur das, was sich lohnt.

Allerdings ist das „lohnen“ oder „belohnen“ sehr individuell. Und das ist auch gut so. Dem einen genügt ein strahlendes Lächeln für eine gute Tat, der andere braucht monetäre Belohnung oder ein Statussymbol.

Verändertes Verhalten, das sich erst nach einer geraumen Zeit auszahlt, ist also extrem volatil – die Belohnung lässt zu lange auf sich warten.

Gerhard Roth, ein Hirnforscher, hat es einmal so ausgedrückt: „Intelligenz ist nur ein Instrument, das Vorschläge für bestimmte zweckorientierte Entscheidungen macht – entscheiden tun die bewussten oder unbewussten Emotionen.“ Im Endeffekt liefert unsere Intelligenz die rationalen Gründe für eine Bauchentscheidung hinterher. Und nicht immer merken wir das!

Wenn Veränderungen in einer Organisation anstehen, ist das noch komplizierter. Schließlich müssen dabei viele Menschen auf ein neues Ziel eingeschworen werden und sichergestellt werden, dass auf dem Weg nicht der Atem ausgeht.

Da lohnt es sich für das Management-Team zum einen, über das Thema Belohnungen nachzudenken (und siehe oben, das muss eine Bandbreite sein, denn nicht alle Mitarbeiter ticken gleich) und zum anderen aber auch zu verstehen, was bei Veränderung passiert.

Dabei ist ein Modell, das Elisabeth Kübler-Ross (mit Anleihen von anderen Forschern) ursprünglich bei der Arbeit mit trauernden Menschen entwickelt hat, sehr hilfreich.

Gerade Veränderungen in Organisationen werden von den Betroffenen sehr kritisch, skeptisch oder gar negativ gesehen. Häufig bedeutet ja etwas Neues auch, dass sich die Betroffenen neue Kenntnisse aneignen müssen, also vorübergehend Kompetenz einbüßen. Kübler-Ross hat nur 5 Phasen definiert, für mich sind die folgende 7 Phasen hilfreich.

Die 7 Phasen der Veränderung

  1. Schock – es kommt etwas Neues, ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll.
    Als Führungskraft sollten Sie in dieser Phase Ihren Mitarbeitenden Zeit geben und im Dialog bleiben.
  2. Verneinung – die Hoffnung, dass „nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird“, dass auch diese „Sau durchs Dorf getrieben wird“ und bald wieder verschwunden ist.
    Als Führungskraft sollten Sie auf Ärger bis hin zur Aggression gefasst sein. Grenzen Sie sich ab, der Ärger ist nicht auf Sie persönlich gemünzt. Eventuell fangen Betroffene auch an zu „verhandeln“, seien Sie konsequent, wenn Ihnen am Wandel liegt.
  3. Einsicht – irgendwann ist klar, diese „Sau“ verschwindet nicht. Die Betroffenen trauern vielleicht noch den alten Zeiten hinterher, aber es ist klar, die kommen nicht zurück. Auch hier sollten Sie als Führungskraft den Betroffenen die Gelegenheit zur Trauer geben, nur dann kann Liebgewonnenes zurückgelassen werden. Je nachdem, um welche Art von Veränderung es sich handelt, könnten Sie in dieser Phase auch eine Art „Trauerritual“ zelebrieren. (Feierlich das Licht in einem alten Gebäude ausschalten oder ähnliches.)
  4. Akzeptanz – die Zeit der Trauer ist vorbei, jetzt kann die produktive Zeit starten.
    Als Führungskraft ist ihre Aufgabe die Motivation und Ermunterung. Je nach Veränderung fühlen sich die Mitarbeitenden in dieser Phase extrem inkompetent. Die alten Routinen greifen nicht mehr und die neuen Routinen sind noch nicht Routine.
  5. Ausprobieren – mit der Zeit trauen sich die Mitarbeitenden mehr, sie probieren aus, variieren und kommen vielleicht mit ersten Verbesserungsvorschlägen.
    Hören Sie als Führungskraft zu und bleiben Sie bei der wertschätzenden Kommunikation. Unterstützen Sie bei sinnvollen Anpassungen.
  6. Erkenntnis – die Mitarbeitenden fühlen sich wieder kompetent, haben das System im Griff und erkennen auch die positiven Seiten. Das Alte wird nicht mehr verklärt, wie es in der Zeit der Trauer oft vorkommt.
    Jetzt dürfen Sie als Führungskraft aufatmen. Bleiben Sie aber im Kontakt, ermuntern Sie weiter und geben Sie Wertschätzung, wo sie verdient ist.
  7. Integration – jetzt ist das Neue so Routine wie das Alte. Mitarbeitende merken den Fortschritt und den Erfolg und fühlen sich wohl.
    Als Führungskraft dürfen Sie nicht vergessen, die Erfolge zu würdigen und die Mühen und Anstrengungen auf dem Weg hierher zu feiern.

Organisationen in der Veränderung

Für Führungskräfte sind 4 Dinge besonders wichtig:

  • Auch Sie gehen persönlich und mit ihrem Team durch diese Phasen hindurch.
    Überlegen Sie sich, was Ihnen geholfen hat, von einer Phase in die nächste zu kommen, das kann Ideen geben für den Umgang mit dem Team.
  • Das Führungskräfte-Team ist in der Regel ein paar Schritte voraus. Sprich, Sie sind schon in der Phase der Erkenntnis, Ihr Team ringt aber noch um die Einsicht oder die Akzeptanz. Seien Sie sich dessen bewusst und lassen Sie sich auf das Tempo des Teams ein.
  • Der Weg von Phase 1 zu Phase 7 ist keine Einbahnstraße. Wenn es bei der Umsetzung der Veränderung Rückschläge gibt (technische Probleme, Umsatzeinbußen), kann eine ganze Organisation wieder in eine bereits einmal durchlaufene Phase zurückfallen. Dann muss das Team genau dort wieder abgeholt werden. Und leider gibt es keine Abkürzung.
  • Manche Menschen sind so aufgestellt, dass sie die eine oder andere Veränderung nicht wirklich akzeptieren können oder wollen und immer den alten Zeiten nachtrauern. Verlangen Sie an dieser Stelle professionelles Verhalten, Begeisterung einzufordern ist vergebliche Liebesmüh. Und sprechen Sie Klartext. Eventuell ist dieser Mensch nicht (mehr) am richtigen Platz.

Change Management in Aktion

Als Führungskraft sind Sie vermutlich ständig in irgendeiner Form mit Veränderungen befasst. Nicht alle Veränderungen sind so groß, dass ein ganzes Team kollektiv durch die Phasen der Veränderung begleitet werden muss.

Mit dem Modell im Kopf können Sie zum einen genauer hinsehen, wenn Sie an einer Stelle plötzlich auf unerwarteten Widerstand stoßen oder wenn es bei einem einzelnen Mitarbeiter scheinbar nicht mehr vorangeht oder die Leistung spürbar nachlässt.

Das Bewusstsein über die unterschiedlichen Phasen ist auch beim Beobachten Ihres eigenen Verhaltens hilfreich. Oft erhalten Sie nicht die Unterstützung, die Sie Ihrem Team geben – von Ihnen wird erwartet, dass Sie verstehen, warum die Veränderung angestrebt wird und zielstrebig nach vorne gehen. Aber auch Sie müssen durch die Phase der Akzeptanz, sei sie noch so kurz.

Vergessen Sie gerade bei einschneidenden Veränderungen in Organisationen das Belohnungssystem nicht. Feiern Sie Meilensteine und Erfolge. Honorieren Sie die Anstrengung, die die Veränderung verlangt. Ihr Team wird es Ihnen danken.

Wünschen Sie sich Unterstützung bei einer größeren oder kleineren Veränderung? Gerne bin ich für Sie da! 

 

 

Ich bin Birgit Nüchter, Führungskräftecoach, Karrierecoach und Beraterin.

Birgit Nüchter

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