Persönlichkeitstests in Unternehmen: Ich war in allen Schubladen mal drin

Ob Insights Discovery, MBTI oder Reiss Profile – Persönlichkeitstests in Unternehmen habe ich fast alle durch. Mal freiwillig, mal weil mein Arbeitgeber das so wollte. Mal für mich, mal mit meinem Team.

Damals, als ich noch Führungskraft in einem großen Konzern war, gehörten Persönlichkeitstests im Unternehmen quasi zur Standardausstattung. Und immer mal wieder war ein anderer Test gerade „angesagt“.

Und ja – manches daran war wirklich hilfreich. Wir hatten plötzlich eine gemeinsame Sprache. Es wurde leichter, über Unterschiedlichkeiten zu sprechen, ohne gleich in Bewertung abzurutschen. Kommunikation lief runder.

Aber trotzdem blieb bei mir immer ein komisches Gefühl.

Denn egal, wie bunt und professionell so ein Test daherkam – irgendwann saßen wir alle in einer Schublade. Eine war halt „gelb“, die andere „introvertiert“, der Dritte „der Stratege“. Und was erstmal nach Selbstreflexion klang, wurde schnell zu einem Raster, das fester klebte, als einem lieb sein konnte. Das war sicher nicht das Ergebnis, das durch aufwändige Persönlichkeitstests in Unternehmen erzielt werden soll.

Warum Persönlichkeitstests im Unternehmen so beliebt sind

Ich verstehe sehr gut, warum Unternehmen auf Persönlichkeitstests setzen und warum Führungskräfte sie regelmäßig in Teamentwicklungsprozesse integrieren:

  • Sie liefern schnell strukturierte Ergebnisse
  • Sie wirken wissenschaftlich (auch wenn sie das oft gar nicht sind)
  • Sie helfen, Konflikte zu entschärfen
  • Sie machen Workshops greifbarer – und manchmal sogar unterhaltsamer

Kurz: Persönlichkeitstests im Unternehmen versprechen Ordnung im zwischenmenschlichen Chaos. Eine Art Bedienungsanleitung für Kollegen und Kolleginnen, vielleicht sogar für die Chefinnen und Chefs.

Doch Menschen sind keine Maschinen.

Meine Erfahrungen mit Persönlichkeitstests in Unternehmen

Ich erinnere mich gut an einen MBTI-Workshop mit meinen damaligen Führungskräftekollegen (ja, das waren alles Männer). Wir saßen da, ausgestattet mit hübsch designten Reports, die unsere Persönlichkeit auf vier Buchstaben kondensierten. Tatsächlich war das spannend. Und hat mir bei der Zusammenarbeit mit einem Kollegen sehr geholfen zu verstehen, dass das, was ich erlebte, keine Aktionen waren, um mich zu ärgern, sondern, dass wir einfach sehr unterschiedlich tickten.

Was mich dabei am meisten irritiert hat: Wie schnell wir selbst angefangen haben, unser Verhalten an den Test-Ergebnissen auszurichten. Nicht, weil es jemand eingefordert hätte, sondern weil das Etikett plötzlich so präsent war. Es wurde Teil unseres Selbstbilds.

In Meetings dachte ich: „Ich bin ja der introvertierte Denker, ich muss das nicht kommentieren.“ Oder: „Er ist halt dominant – da kann ich nicht dagegenhalten.“

Rückblickend war das nicht nur hinderlich – es hat auch dafür gesorgt, dass wir Potenziale übersehen haben. Weil wir dachten, wir hätten uns ja schon „verstanden“.

Was als Türöffner für Gespräche gedacht war, wurde mit der Zeit zur Rechtfertigung. Oder schlimmer: zur Ausrede. Für Verhalten, das eigentlich veränderbar wäre, für Kommunikationsprobleme, für fehlende Verantwortung.

Und wie wissenschaftlich sind Persönlichkeitstests in Unternehmen eigentlich?

Die ernüchternde Antwort: Viele dieser Persönlichkeitstests im Unternehmen sind methodisch fragwürdig.

  • Der MBTI zum Beispiel basiert auf den Theorien von C. G. Jung – nicht auf moderner, empirischer Forschung.
  • DISC und Insights Discovery sind simple Verhaltensmodelle, die in der Psychologie kaum ernst genommen werden.
  • Das Reiss Profile hat einen etwas moderneren Ansatz, bleibt aber dennoch typisierend – und lässt viele kontextuelle Faktoren außen vor.

Was fast alle Tests gemeinsam haben:

  • Sie sind beschreibend – aber nicht prognostisch.
  • Sie sind vereinfachend – aber nicht tiefgehend.
  • Sie geben Orientierung – aber keine Entwicklung.

Und genau da liegt der Haken.

Was Persönlichkeitstests im Unternehmen leisten können – wenn man es richtig macht

Ich will gar nicht sagen, dass Persönlichkeitstests im Unternehmen pauschal schlecht sind. Es kommt – wie so oft – darauf an, wie man damit arbeitet.

Wenn Sie Persönlichkeitstests in Unternehmen als Einstieg nutzen, um über Unterschiedlichkeiten ins Gespräch zu kommen: super. Wenn Sie sie als festen Teil Ihrer Führungsarbeit betrachten: bitte mit Vorsicht.

Damit Persönlichkeitstests im Unternehmen wirklich hilfreich sind, braucht es:

  • Eine kritische Begleitung (kein Selbststudium mit buntem Report)
  • Raum für Interpretation und Widerspruch – und ein gerütteltes Maß an psychologischer Sicherheit
  • Ein Bewusstsein dafür, dass Menschen mehr sind als ein Test-Ergebnis

Denn Persönlichkeit ist dynamisch. Sie entwickelt sich. Sie hängt vom Kontext ab. Und sie passt in keine vier Farben oder 16 Typen.

Was stattdessen oft besser funktioniert

Persönlichkeitstests in Unternehmen liefern oft schnelle Orientierung – aber sie ersetzen keine echte Auseinandersetzung mit Dynamiken, Rollen, Erwartungen.

Gerade deshalb ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen: Welche anderen Wege gibt es, Teams zu stärken und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, jenseits von Farben oder Typen?

Gerade weil Persönlichkeitstests in Unternehmen so verbreitet sind, lohnt sich ein Blick auf mögliche Alternativen. Wenn Sie wirklich verstehen wollen, wie Ihr Team tickt und wie Zusammenarbeit besser gelingen kann, dann empfehle ich folgende Alternativen:

  • 360°-Feedback: direktes Feedback von Kollegen und Kolleginnen, Vorgesetzten und Mitarbeitenden
  • Wertearbeit: was ist mir wirklich wichtig – und warum?
  • Systemisches Coaching: statt Typisierung lieber individuelle Entwicklung
  • Die wissenschaftlich fundierte LINC Persönlichkeitsanalyse mit Begleitung für das Team und jede Einzelperson

Diese Formate brauchen vielleicht etwas mehr Zeit. Aber sie wirken tiefer. Und sie kleben nicht so fest wie ein Farbcode.

Mein Fazit – und ein Wunsch an alle, die führen

Persönlichkeitstests in Unternehmen sind weit verbreitet – und sie können nützlich sein, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden. Aber bitte nutzen Sie sie mit Hirn und Haltung. Und nicht als Wahrheit über Menschen, als Etikett oder als Begründung für „das war schon immer so“.

Denn was Teams wirklich weiterbringt, ist nicht das Wissen, wer rot, gelb oder grün ist – sondern die Bereitschaft, einander wirklich kennenzulernen: ohne Etiketten, mit Neugier und der Offenheit, auch mal danebenzuliegen.

Lust, tiefer einzusteigen?

Vielleicht stehen Sie gerade selbst vor der Entscheidung: Einen Test einsetzen, oder nicht? Was wird dem Team wirklich gerecht?

Diese Fragen verdienen mehr als eine schnelle Antwort. Sie verdienen ein Gespräch – über Haltung, Führung, und den Mut, Menschen nicht vorschnell einzuordnen.

Ich unterstütze Sie gerne dabei, den richtigen Weg für Ihre Organisation zu finden – sei es mit oder ohne Persönlichkeitstests im Unternehmen.

Lassen Sie uns sprechen. Ich höre zu, frage nach – und helfe, herauszufinden, was wirklich passt: für Sie, für Ihr Team, für Ihr Ziel.

Bild: ein Foto des Kunstwerks „Spermini, 1997“ von Maurizio Cattelan in einer Ausstellung des Centre Pompidou Metz 2025.

Ich bin Birgit Nüchter, Führungskräftecoach, Karrierecoach und Beraterin.

Birgit Nüchter

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