Alles eine Frage der Haltung?!
Unsere Haltung bestimmt unser Denken und Handeln. Wir haben immer eine innere Haltung – bewusst oder unbewusst. Doch was genau macht die Haltung aus? Wann macht sie einen Unterschied, der zu einem Unterschied führt? Mit wem oder was steht sie in Wechselwirkung? Welche Rahmen/Kontextbedingungen beeinflussen sie? Und was gehört noch dazu?
Innere Haltung und Konstruktivismus
Mit unserer inneren Haltung machen wir uns ein Bild von der Welt. Die philosophische Richtung des Konstruktivismus geht davon aus, „dass Menschen mit ihren Wahrnehmungen die Welt nicht einfach ‚abbilden‘ können, sondern sie erst ‚konstruieren‘“ (Spektrum.de, Lexikon). Das heißt auch, dass jede*r von uns ein eigenes Bild von der Welt hat. Das richtige, das korrekte oder das für alle geltende Bild gibt es nicht. Aber nicht nur, dass wir uns unser Bild von der Welt und der Wahrheit machen, wir reagieren und bewerten auf Basis dieses Bildes.
Logischerweise wird aber nun in einer Gruppe von Menschen jede und jeder sein eigenes Bild der Wirklichkeit haben – durchaus mit Überlappungen. Aber Sie kennen sicherlich auch die Situation, dass Sie und ein Kollege in einer Besprechung waren, aber später im Gespräch den Eindruck haben, dass Sie beide ganz unterschiedliche Dinge wahrgenommen haben. Sie haben sich beide ein Bild von der Wirklichkeit gemacht und stellen jetzt fest, dass es da wenig Überlappungen gibt.
Ein Exkurs in unser Gehirn
Rein neurologisch gesprochen, ist unser präfrontaler Cortex das Gehirnareal, in dem aufgrund unserer (Lebens-)Erfahrungen Haltungen gespeichert werden. Der Cortex ist der Teil des Gehirns, der unser Arbeitsgedächtnis enthält.
Hier werden visuelle, auditive und sensorische Eindrücke gespeichert, analysiert und unsere Aufmerksamkeit kontrolliert. Hier sitzt das Gehirnareal, das für schnelles Assoziieren und Problemlösen verantwortlich ist. Beides sind wichtige und wertvolle Skills im Alltag, weil wir sonst überwältigt wären von den vielen Entscheidungen, die wir ständig zu treffen haben. Unser Gehirn speichert Erfahrungen und greift dann schnell darauf zurück.
Leider heißt das aber auch, dass einmal gemachte und verfestige Erfahrungen genauso wie gefestigte innere Haltungen schwer zu verändern sind. Wenn ich diese verändern will, kann ich sie nur durch andere, neue Erfahrungen sozusagen überschreiben und damit verändern.
Jetzt funkt uns aber noch ein anderes Areal unseres Hirns dazwischen: das limbische System. Das limbische System ist für alles verantwortlich, was uns am Leben hält: Essen, Trinken, Schlafen, Kreislauf, Hormonhaushalt, etc. Es hat die engste Verbindung zu unserem Körper, was wir bemerken, wenn wir zum Beispiel unter Stress in Schweiß ausbrechen.
Das limbische System kann auch als Erfahrungsgedächtnis bezeichnet werden. In der Regel springt bei allem, was wir tun, als Erstes das limbische System an. Unsere Ratio bewertet dann, aber manchmal, entscheidet im Endeffekt doch auch das limbische System.
Triviales Beispiel: Ich gehe an einer Eisdiele vorbei. Mein limbisches System ist angesprungen. Jetzt kann mein Cortex eingreifen und abwägen – eigentlich hatte ich ein gutes Mittagessen, ich habe keinen Hunger, meine Waage heute Morgen hat mir angezeigt ich sollte kürzertreten. Alles Gute und richtige, rationale Gedanken. Warum habe ich mir trotzdem eine Kugel Eis gekauft? Mein limbisches System hatte das letzte Wort.
Auch bei unserer inneren Haltung spricht das limbische System mit. Und oft merken wir es nicht einmal.
Kann ich meine Haltung verändern?
In meiner Welt – ganz klar ja! Ich kann sie verändern, aber es ist manchmal ganz schön schwierig und es geht nie schnell. Denn, siehe oben, sie ist fest in unserem Gehirn verdrahtet aufgrund der Erfahrungen, die wir in unserem bisherigen Leben gemacht haben. Diese Verdrahtung muss neu konfiguriert werden. Dazu muss ich mir zunächst einmal bewusst werden, dass es eine Verdrahtung gibt, sprich, ich muss mir meiner inneren Haltung bewusst werden.
Dann gilt es, eine Entscheidung zu treffen, ob in bestimmten Situationen diese erlernte und gut geübte Haltung immer noch hilfreich ist. Wenn ja, ganz einfach, dann kann ich dabei bleiben. Falls nein, dann geht es ans Ausprobieren.
Welche Haltung wäre sinnvoller? Wie kann das aussehen? Und ich muss mich trauen, etwas anders zu machen als bisher.
Hier kommt das limbische System ins Spiel. Wenn ich rational festgestellt habe, dass eine andere Haltung besser wäre, muss der emotionale Teil des Gehirns überzeugt werden, dass es sich lohnt. (Um etwas verkürzt beim Beispiel mit dem Eis zu bleiben: Wenn ich die Kugel Eis heute, morgen und übermorgen nicht esse, passe ich demnächst wieder in die schicke Sommerhose.) Ich muss das neue Verhalten also auch üben. Deshalb geht eine Haltungsänderung nie schnell. Aber sie lohnt sich, wenn ich den Erfolg erlebe.
Was heißt das für mich als Führungskraft?
Ich kann die innere Haltung anderer Menschen nicht ändern. Alle Appelle, Schulungen, Ermahnungen oder gar „Drohungen“ werden nichts nützen.
Ich kann also nur meine eigene innere Haltung überprüfen. Wie stehe ich meinen Mitarbeitern gegenüber, wie meiner Aufgabe? Bin ich positiv eingestellt oder gehe ich eher pessimistisch an die Sache? Ich kann reflektieren und überprüfen, woher meine innere Haltung kommt.
Und dann kann ich experimentieren und bewusst eine andere Haltung einnehmen (das wird oft nicht klappen – dennoch lohnt es sich, es auszuprobieren und immer wieder zu üben, wenn ich es denn wirklich will!).
Wichtig zu wissen: Die innere Haltung meines Teams kann ich nur indirekt beeinflussen.
Hier kommen wir zur Unternehmenskultur. Auch diese manifestiert sich basierend auf den verschiedenen Haltungen der Führungskräfte und Mitarbeiter.
Unterschätzen Sie als Führungskraft nicht, welche Rolle Sie für Ihr Team und dessen Haltung spielen. Wenn Sie anders handeln als sie sprechen („Walk the Talk“), merkt ihr Team das.
Unternehmens- oder Teamkultur wird sich nicht über Nacht ändern lassen und braucht viele kleine Schritte. Rückschläge müssen ausgehalten werden – idealerweise auch gemeinsam reflektiert werden. Denken Sie daran – es muss sich emotional lohnen. Für Sie und für Ihr Team!
Die eigene Haltung zu reflektieren und auch mit den Rückschlägen in der Übungsphase gut umzugehen, ist nicht leicht. Gerne unterstütze ich Sie dabei. Als Coach stehe ich außerhalb Ihres Systems und kann ganz andere Fragen stellen oder als Sparringspartner Optionen diskutieren.
Das Thema Haltung haben meine Kollegin Corinna Maag und ich in einer „Teatime“ im Rahmen unserer Reihe „Die Magie des Führens“ diskutiert. Dabei ist auch die Wortwolke entstanden, die als Titelbild dient. Ein herzliches Dankeschön an die Teilnehmer*innen dieser Teatime. (Update: leider gibt es diese Teatime-Veranstaltungen nicht mehr.)