Teamcharta, warum? Sie sind Führungskraft und regen sich regelmäßig auf, dass bestimmte Dokumente nicht dort abgelegt sind, wo Sie sie vermuten. Teammitglieder kommunizieren wichtige Dinge im Chat, wenn Sie etwas suchen, dauert es gefühlt stundenlang, um diese Information wiederzufinden. Sie und ihr Team haben keine klare Vereinbarung darüber, wer wann im Home-Office oder im gemeinsamen Bürogebäude arbeitet. Wenn neue Menschen ins Team kommen, dauert es ewig, bis sie sich zurechtfinden und alle unausgesprochenen Regeln verstanden haben.

Für diese Situation gibt es ein Heilmittel: die Teamcharta. In der Teamcharta formuliert das Team, wie es miteinander umgehen will und welche Regeln es sich geben möchte.

Wie sieht eine Teamcharta aus

Es gibt nicht das eine Format, das für alle passt. Manche verwenden eine Vorlage ähnlich wie der Business-Model-Canvas, andere haben ein paar dedizierte Punkte, die für sie und ihr Team wichtig sind und damit ein sehr schlankes Modell.

Als Arbeitserleichterung hat fast jedes der online Whiteboard Tools inzwischen eine fertige Vorlage, die ausgesucht und gegebenenfalls angepasst werden kann. Eine gute Version zum Ausdrucken finden Sie bei digitalien.org. Der Vorteil der online Varianten ist, dass sie Sie leicht an Ihre Bedürfnisse anpassen können.

Folgende Blöcke der Teamcharta haben sich für mich und meine Kunden bewährt:

  • Zweck oder Vision
    • Warum gibt es uns als Team, was ist unser gemeinsames Ziel.
      (Sie glauben, das ist selbstverständlich? Prima, dann dauert es nur 1 Minute, das aufzuschreiben. Aber ich bin nie überrascht, wenn an der Stelle sehr interessante Diskussionen entstehen.)
  • Wer ist Teil des Teams
    • Wer hat welche Rolle?
    • Wer hat spezielle Expertise (vielleicht sogar Superkräfte)?
    • Fehlt uns jemand (Kenntnisse oder „Manpower“)
    • Gibt es Menschen in benachbarten Teams, die ab und zu eine Rolle spielen? In welchem Umfang?
    • Gibt es Menschen in unserem Team, die gelegentlich andere Teams unterstützen? In welchem Umfang?
  • Wie und von wem werden Entscheidungen getroffen?
    • Wer hat welche Befugnisse?
    • Wie wird delegiert? Und wer muss darüber informiert sein?
    • Gibt es „Flaschenhälse“ bei Entscheidungen? Wie können diese beseitigt werden?
  • Wie lösen wir Konflikte?
    • Wie gehen wir mit fachlichen und zwischenmenschlichen Problemen um?
    • Wann wird eskaliert?
  • Wie messen wir unseren Erfolg?
    • Was wird gemessen?
    • Wie oft wird gemessen?
    • Wann sind wir fertig?
    • Wie feiern wir Erfolge?
  • Wie gehen wir miteinander um?
    • Welche Erwartungen haben wir an unsere Kommunikation (Meetings, E-Mail, Chat, private oder Business Kanäle, Reaktionszeiten…..)
    • Wie und wo teilen wir Informationen?
    • Wie verteilen wir Aufgaben untereinander?
    • Wann treffen wir uns persönlich, wann online?
    • Wie geben wir Feedback?
    • Wie gehen wir mit Kritik und Fehlern um?
  • (optional) Was machen wir keinesfalls?
    • Dieser Punkt kann sinnvoll sein, wenn immer wieder Anfragen an das Team gerichtet werden, die nicht zum Ziel passen.
  • (optional) Welche Rituale pflegen wir?
    • Dieser Punkt kann sinnvoll sein, wenn das Team z. B. hauptsächlich remote oder hybrid arbeitet, ist aber immer eine spannende Diskussion.

Das ist ein sehr umfangreicher Fragenkatalog. Es lohnt sich aber immer, sich dafür Zeit zu nehmen. Die Zeit, die Sie hier spendieren, sparen Sie später im Projekt garantiert ein. Und Sie müssen die Teamcharta nicht in einem Marathonmeeting ausfüllen. Nehmen Sie sich ruhig mehrere Termine vor und gehen Sie mit frischem Kopf an die einzelnen Blöcke.

Noch ein letzter Tipp: der erste Entwurf einer Teamcharta ist fast nie perfekt. Wenden Sie hier die agilen Prinzipien an. Schauen Sie gemeinsam mit dem Team immer wieder hin und justieren Sie, was nicht mehr passt.

Wie binde ich das Team ein?

Wenn Sie zum ersten Mal ihr Team mit der Idee einer Teamcharta konfrontieren, empfehle ich einen Stufenprozess:

  • Suchen oder erstellen Sie sich eine Variante der Teamcharta, mit der Sie sich wohlfühlen und die genau die kritischen Themen Ihres Teams anspricht.
  • Entscheiden Sie, wer moderiert (Sie? Jemand anderes aus Ihrer Firma? Jemand externes?).
  • Entscheiden Sie, ob es ein langes Meeting wird oder mehrere etwas kürzere.
  • Erklären Sie ihrem Team, was Sie vorhaben und warum (in einem Meeting oder in einer Mail).
  • Geben Sie Ihrem Team die Gelegenheit zu Rückfragen (laden Sie dazu ein, vor allem wenn Sie schriftlich kommunizieren).
  • In der Einladung zum Teamcharta-Meeting verteilen Sie auch die Vorlage, damit ihr Team sich damit schon vertraut machen kann, eventuell auch schon Ideen und Vorstellungen mitbringt, schicken Sie eine Agenda mit und kündigen Sie an, wer moderiert.

Um im Meeting allen Teammitgliedern die Gelegenheit zu geben, zu Wort zu kommen, empfehle ich, dass Sie sich der Liberating Structures bedienen. Hier gibt es wunderbare Tools (z.B. Purpose to Practice kombiniert mit What – So What – Now What), die gut geeignet sind, alle im (virtuellen) Raum einzubinden.

Überraschende Diskussionen

Ein großer Wert der Teamcharta liegt neben der Dokumentation von Rollen, Regeln etc. in der Diskussion bei der Entstehung der Teamcharta. Sie können als Führungskraft die Erstellung der Teamcharta gut selber moderieren, ein außenstehender Moderator kann aber hilfreich sein. Das könnte auch ein guter Kollege oder eine Kollegin aus der Nachbarabteilung sein. Oder Sie fragen einen externen Moderator an. Gerne gebe ich Ihnen dazu Empfehlungen.

Ein Punkt, der häufig diskutiert wird, ist das Thema Entscheidungsfindung. Was (der Führungskraft) scheinbar ganz klar ist, ist im Team nur diffus verstanden. Oder das Team nimmt an, viel weniger Entscheidungsfreiheit zu haben, als die Führungskraft geben will. Einfach, weil nie darüber gesprochen wurde. Dazu gibt es ein schönes Tool, den Delegation Poker. Aber das wäre ein Anschlussthema.

Durch die Diskussion über und der Festlegung von Entscheidungsfindungsprozessen können Entscheidungen transparent und nachvollziehbar getroffen werden. Damit werden automatisch Konflikte und Missverständnisse reduziert.

Aber vielleicht werden Sie auch überrascht, weil Rollen nicht klar sind. Oder die Art der Zusammenarbeit. Es ist jedenfalls immer spannend!

Klare Vorteile einer Teamcharta

Wenn eine Führungskraft sich gemeinsam mit ihrem Team an die Entwicklung einer Teamcharta macht, kann sie dadurch erreichen, dass das Team gut organisiert, effizient und erfolgreich arbeitet. Und häufig steigt auch noch die Motivation.

Eine Teamcharta gibt dem Team

  • Ein gemeinsames und eindeutiges Ziel
    • Die Vision der gemeinsamen Arbeit ist deutlich und klar formuliert.
    • Das Team hat eine gemeinsame Ausrichtung und arbeitet am gleichen Ziel.
  • Psychologische Sicherheit
    • Alle kennen die Regeln, die auch festgehalten sind und nicht nur unausgesprochen existieren.
    • Niemand muss ausprobieren, was im Team funktioniert und dabei vielleicht Fehler machen, sich Kritik aussetzen.
    • Das Team hat eine klare Vereinbarung dazu, wie mit Feedback, Kritik, oder Konflikten umgegangen wird.
  • Klarheit und Struktur
    • Rollen und Verantwortlichkeiten sind klar definiert.
    • Es ist dokumentiert, wie und von wem Entscheidungen getroffen werden.
    • Praktische Kommunikationsregeln sind gemeinsam besprochen, etabliert und dokumentiert.

Sie haben Lust, das einmal auszuprobieren, suchen aber zur Planung einen Sparringspartner? Ich unterstütze Sie gerne.

Ich bin Birgit Nüchter, Führungskräftecoach, Karrierecoach und Beraterin.

Birgit Nüchter

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