Viele Führungskräfte haben ein ausgeprägtes Streben nach Perfektionismus. In vielen Fällen ist dies auch sehr positiv zu werten. Perfektionismus, oft gekoppelt mit einem Streben nach hoher Qualität, ist an sich nichts schlechtes. Es gibt Berufe, bei denen Perfektionismus unabdingbar ist: wenn ihr Pilot auf dem Flug von Berlin nach Bilbao die Route nur so ungefähr berechnet, landen Sie vielleicht in Belize…. Auch bei Ärzten ist es mir lieber, mich behandelt ein Perfektionist.

Warum ist Perfektionismus ein Thema für Führungskräfte?

In der heutigen Welt ist es extrem schwer geworden perfekt zu sein. Eine Führungskraft, die die Antwort auf alle Fragen ihrer Mitarbeiter selber haben will, die alle Tätigkeiten selber auch perfekt ausüben will, die alles durch und durch verstehen will, setzt sich unter enormen Druck. Je nachdem, in welchem Bereich Sie arbeiten, ist das eine unmögliche Aufgabe. Aber – in der Regel müssen Sie auch nicht in allen Dingen perfekt sein. Setzen Sie lieber Ihre Energie darin ein, die Aufgaben in Ihrem Team auf die besten Köpfe zu verteilen statt sie selber perfekt zu machen. Das bedeutet auch, dass Sie eine klare Strategie kommuniziert haben und dann Ihrem Team vertrauen.

Perfektionismus als Selbstbestätigung

Setzen Sie Ihre perfekte Leistung gleich mit Selbstbestätigung? Fühlen Sie sich nur etwas „wert“, wenn Sie perfekt sind und streben daher ständig nach Selbstoptimierung? Ich spreche hier nicht von einem Bedürftnis danach immer wieder etwas Neues zu lernen, bei Aufgaben besser zu werden oder gute Qualität abzuliefern. Diese Charaktereigenschaften haben Sie dahin gebracht, wo Sie heute in Ihrer Karriere stehen. Wenn aber das Streben nach Perfektionismus bedeuted, dass Sie daraus eigene Anerkennung und Selbstwert ziehen, dann sind Sie in die Perfektionismusfalle getappt. Selbst wenn Sie noch so perfekt sein wollen, jeder macht Fehler – auch Sie. Und dann ist Ihr Selbstwert am Boden? Das ist keine gute Basis für souveräne Führung. Testen Sie doch einfach einmal, welches Ihre dominanten inneren Antreiber sind.

Perfektionismus wenn es sinnvoll ist

Wie gesagt, es gibt Situationen, wo es sehr sinnvoll ist, Perfektion anzustreben. Überlegen Sie sich für Ihren Aufgabenbereich, wo das so sein soll. Sicherlich wollen Sie keine Präsentation mit Schreibfehlern oder Tabellenkalkulation mit Formelfehlern abliefern, wenn es um eine wichtige Sache geht oder wenn Sie vor dem höchsten Management oder einem wichtigen Kunden präsentieren. Seien Sie hier so perfekt wie irgend möglich – und holen Sie sich Hilfe dabei. Vier Augen sehen mehr als zwei und wenn ein Kollege einen Flüchtigkeitsfehler findet, ist das gut. Seien Sie auch so perfekt wie möglich, wenn es darum geht, zu kommunizieren. Der Aufwand, den Sie dafür betreiben klar und eindeutig zu sprechen oder zu schreiben, lohnt sich.

Wenn gut gut genug ist

Der schmale Grat zwischen Leistungsorientierung und Perfektionismus ist für viele Führungskräfte eine Herausforderung. Zu erkennen, wann etwas gut genug ist, erfordert Übung. Manchmal werden Sie dabei Fehler machen – nutzen Sie diese als Lernerfahrung. Denken Sie nicht Schwarz-Weiss. Es gibt viele Varianten von Grau und oft wird Ihr Gegenüber gar nicht merken, dass für Sie etwas „nur grau“ ist und zufrieden sein, mit dem, was er oder sie von Ihnen geliefert bekommt. Bei der agilen Arbeitsweise können Sie gut erleben, wie Sie sich an ein Ziel herantasten – das Ergebnis der ersten Iteration ist in der Regel nicht perfekt, soll es auch gar nicht sein. Aber Sie kennen das Ziel und bewegen sich in die richtige Richtung indem sie Feedback erhalten, umsetzen und so inkrementelle Verbesserungen erreichen und aus Fehlern zu lernen.

Aus Fehlern lernen

Vom IBM Gründer Thomas Watson kursiert eine Anektode: Ein Mitarbeiter hat einen Fehler gemacht, der das Unternehmen 600000 Dollar kostete. Der Mitarbeiter wurde zu Thomas Watson zitiert und bot seine Kündigung an. Daraufhin soll Watson gesagt haben, dass er keinesfalls die Kündigung akzeptiere, da er schliesslich gerade 600000 Dollar in seine Weiterbildung investiert habe. (Das ist übrigens der gleiche Herr, der gesagt haben soll, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.)

Wer Entscheidungen trifft, kann Fehler machen. Die Alternative ist, gar nichts mehr zu tun – aber in der Geschäftswelt ist auch das ein Fehler! Wichtig ist, dass Fehler, wenn sie passiert sind analysiert werden und sichergestellt wird, dass der gleiche Fehler nicht noch einmal passiert. Dafür brauchen Sie eine Fehlerkultur. Nur wenn Fehler machen akzeptiert ist, können Sie offen darüber reden und Strategien zur Verbesserung angehen. Das kann auch einmal einen bitteren Gang zum Chef oder der Chefin und zum Kunden bedeuten – meine Erfahrung ist aber, dass der offene Umgang mit Fehlern eher hilft als schadet. Wenn Sie oder Ihr Team einen Fehler gemacht haben, der Ihren Kunden betrifft, lohnt es sich die Karten auf den Tisch zu legen statt „herumzueiern“. Ihr Kunde merkt, wenn etwas nicht stimmt.

Haben Sie sich an der einen oder anderen Stelle wieder erkannt? Sind Sie Perfektionist, auch wenn es nicht nötig wäre und setzen sich damit unter Druck? Gerne unterstütze ich Sie dabei zu erkennen, welche Motivation dahinter liegt und wie Sie einen besseren Umgang mit dem Thema erreichen können.